Neues OLG-Urteil zur Steuerberaterhaftung bei Verletzung der Hinweispflichten
Steuerberater müssen bei der Erstellung von Jahresabschlüssen und Plausibilitätsbeurteilungen auf ihre Hinweispflichten dem Mandant gegenüber achten. Hier besteht ein hohes Haftungsrisiko.
Der Sachverhalt
In einem aktuell entschiedenen Fall des OLG Düsseldorf (Urteil v. 24.9.2024) verlangte der Insolvenzverwalter einer GmbH von einer Steuerkanzlei und deren Gesellschaftern Schadenersatz, weil die von der Kanzlei erstellten Jahresabschlüsse fehlerhaft gewesen und dadurch eine frühere Insolvenzantragstellung verhindert worden sei.
Konkret wurde vorgetragen, dass die Beklagten bei ordnungsgemäßer Aufstellung des Jahresabschlusses für 2010 eine Überschuldung hätten erkennen und darauf hinweisen müssen. Dies hätte zu einer früheren Insolvenzantragstellung und damit zu einer geringeren Überschuldung geführt.
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf
Das OLG Düsseldorf wies die Klage ab. Zwar bestätigte das Gericht, dass im Zusammenhang mit der Aufstellung des Jahresabschlusses 2010 eine Pflichtverletzung der Steuerkanzlei vorlag. Besonders bei der geschuldeten Plausibilitätskontrolle habe die Kanzlei ihre Pflicht verletzt, indem sie die Finanzstabilität des Unternehmens nicht richtig beurteilte und keinen Hinweis auf eine drohende Insolvenzreife gab. Die Bewertung der Anzahlungen als Verbindlichkeiten und die Berücksichtigung von Fehlern in der Bewertung der unfertigen Erzeugnisse hätten zu einer schlechteren Beurteilung der Finanzlage geführt. Bereits eine Note von 4,25 hätte die Kanzlei zu einem Hinweis veranlassen müssen.
Allerdings konnte der Kläger nicht ausreichend darlegen und beweisen, dass die Gesellschaft bereits zum 31.12.2010 oder im darauffolgenden Jahr insolvenzreif war. Die Darlegungs- und Beweislast für die Kausalität der Pflichtverletzung für den geltend gemachten Insolvenzvertiefungsschaden obliegt dem Kläger. Er konnte insbesondere nicht substantiiert vortragen, dass eine positive Fortführungsprognose nicht mehr möglich gewesen wäre. Auch der Sachverständige konnte keine eindeutige Aussage zur insolvenzrechtlichen Fortführungsprognose treffen. Daher war ein Schadenersatzanspruch nicht begründet.
Das sind die Folgen für Steuerberater
Hinweispflichten auch bei begrenztem Mandat:
Steuerberater müssen auch dann auf eine mögliche Insolvenzreife hinweisen, wenn sie nur mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragt sind und kein Mandat zur Insolvenzberatung besteht. Die Hinweispflicht besteht nicht nur bei offensichtlichen Gefahren, sondern auch dann, wenn sich dem Steuerberater die Gefahren bei ordnungsgemäßer Bearbeitung hätten aufdrängen müssen.
Plausibilitätsprüfung und Früherkennung:
Bei der Plausibilitätsprüfung muss der Steuerberater auch dann besonders sorgfältig vorgehen, wenn das Mandat Beurteilungen, wie z.B. die positive Fortführungsprognose, ausdrücklich vorsieht. Indikatoren für eine drohende Insolvenz müssen erkannt und kommuniziert werden.
Darlegungs- und Beweislast:
Im Haftungsprozess trägt der Insolvenzverwalter die volle Darlegungs- und Beweislast für die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden. Fehlt es an einem Nachweis der Insolvenzreife zum maßgeblichen Zeitpunkt, bleibt der Schadenersatzanspruch erfolglos.
Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters:
Die Rechtsprechung ist sich nicht einig, ob der Insolvenzverwalter überhaupt berechtigt ist, einen Insolvenzvertiefungsschaden gegenüber dem Steuerberater der Schuldnerin geltend zu machen. In Literatur und Rechtsprechung mehren sich die Stimmen, die dies in Frage stellen.
Nickert & Nickert Tipp
Als Steuerberater sollten Sie bei der Erstellung von Jahresabschlüssen und Plausibilitätsbeurteilungen stets besonders auf Hinweispflichten achten – auch über den eigentlichen Mandatsgegenstand hinaus. Dokumentieren Sie Ihre Hinweise und Prüfschritte sorgfältig, um sich im Fall einer späteren Haftungsfrage optimal absichern zu können.
Bei Unsicherheiten oder spezifischen Mandaten mit Insolvenzrisiko: Kontaktieren Sie uns! Wir beraten Sie gerne individuell zu Haftungsprävention und optimalem Mandatsmanagement.