Pflicht zur Krisenfrüherkennung (auch) für Insolvenzverwalter – Fachbeitrag in der ZInsO

Aktuell ist unser neue Fachbeitrag „Pflicht zur Krisenfrüherkennung (auch) für Insolvenzverwalter?“ in der Fachzeitschrift ZInsO erschienen (Fundstelle ist ZInsO 2023, 1797). Autoren des Beitrags sind Anne Nickert und Cornelius Nickert.

Bestandsgefährdung soll erkannt werden

Seit 1.1.2021 gilt nach § 1 StaRUG die Verpflichtung für Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Gesellschaften, dass sie ein Früherkennungssystem vorhalten müssen: Ein Früherkennungssystem soll bestandsgefährdende Entwicklungen so früh erkennen, dass noch rechtzeitig gegengesteuert werden kann. Das Ergebnis der Früherkennung ist damit ein „Grad der Bestandsgefährdung“ – und der Kehrwert ist der Grad der Bestandsfähigkeit, § 14 Abs. 1 StaRUG.

Im (vorläufigen) Insolvenzverfahren zielt der Blick auf die Quote

Übertragen auf die Insolvenz ist das Analyseziel die Gefahr der Quotenschmälerung bzw. die Chance auf Quotenerhöhung, in jedem Fall aber die Vermeidung der Masselosigkeit bzw. Masseunzulänglichkeit. Zudem hat der (vorläufige) Insolvenzverwalter den Insolvenzgläubigern gegenüber eine Massesicherungspflicht: Diese verpflichtet ihn dazu, Chancen und Risiken der Entscheidungen abzuwägen.

Vorläufiger starker Insolvenzverwalter muss Früherkennung einrichten

Der vorläufige starke Insolvenzverwalter muss ein Früherkennungssystem installieren – alleine schon, um den Verpflichtungen der §§ 1, 22 Abs. 1 Nr. 2 InsO nachzukommen. Der Horizont ist hier allerdings verkürzt auf das Eröffnungsverfahren bzw. bis zum Berichtstermin.

Vorläufiger schwacher Insolvenzverwalter muss fehlende Früherkennung anzeigen

Der vorläufige schwache Insolvenzverwalter führt den Betrieb nicht. Daher hat er auch keine Verpflichtung, ein Früherkennungssystem einzurichten. Allerdings hat er aus seiner Massesicherungspflicht gegenüber dem Gericht eine Anzeigepflicht, wenn im Unternehmen ein Früherkennungssystem nicht eingerichtet ist, und somit rationale Entscheidungen nach ökonomischen Grundsätzen gar nicht getroffen werden können.

Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren muss Frühwarnsystem einrichten und pflegen

Der Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren ist verpflichtet, eine Früherkennung zu installieren und auch zu pflegen: Bis zum Berichtstermin ist sein Analysehorizont dabei auf den kurzen Zeitraum der Fortführungspflicht begrenzt.

Im Berichtstermin muss der Insolvenzverwalter darlegen, ob Aussichten bestehen, das Schuldnerunternehmen im Ganzen oder in Teilen zu erhalten, welche Möglichkeiten für einen Insolvenzplan bestehen und welche Auswirkungen dabei jeweils für die Befriedigung der Gläubiger eintreten würden. Dies setzt eine Risikoanalyse voraus: Diese leitet sich wiederum aus dem Früherkennungssystem ab.

Zu beachten ist aber, dass das Früherkennungssystem auf die Ziele und Zeithorizonte des Insolvenzverfahrens anzupassen ist.